Unser Leitstern die Jakobsmuschel
Probepilgern hieß für uns: Wir wollten alle für dieses neue Pilgerjahr uns selbst und natürlich auch unsere Ausrüstung einem ersten Fitness-Test unterziehen, mal mit gepacktem Rucksack pro Tag mindestens 20 km laufen. Doch viel schöner und wichtiger war es, in unserer Gemeinschaft uns auf den Weg zu machen und so authentisch wie möglich miteinander auf dem Jakobsweg in Brandenburg zu pilgern. Das war die Tour des 1. Tages, die Verbindungsroute von Fürstenwalde nach Müncheberg:
Ab Fürstenwalde 2,7 km bis Palmnicken, dann 5 km bis Trebus, dann 3,5 km bis Jänickendorf, dann 3,3 km bis Schönfelde, dann 4,2 km bis Eggersdorf und 1,9 km bis Philippinenhof bei Müncheberg. Dort treffen die Verbindungsroute und die Nordroute zusammen, und an ihrem „Kuss“ steht die Pilgerherberge Luckas.
Der größte Teil der Gruppe traf sich am 2.4. kurz vor 8 Uhr am Bahnhof Alexanderplatz. Gemeinsam fuhren wir nach Fürstenwalde, wo wir den Rest der Gruppe vor dem Dom trafen. Pfarrer Hemmerling hielt für uns eine erfrischende Pilgerandacht mit dem alten Jakobus-Segen, wir sangen und beteten gemeinsam.
Dom Fürstenwalde
Kröte mit schwerem Huckepack
Glowi verteilte die Pilgerpässe, nochmals dankeschön! Und wir alle konnten uns den ersten Stempel in unseren Pass drücken lassen. Nach der Andacht erzählte er uns einiges über die bewegte Geschichte des Doms. Gut versorgt und in vieler Hinsicht entlastet machten wir uns auf den Weg in Richtung Trebus. André aus Fürstenwalde übernahm die Führung, denn natürlich kannte er sich am besten aus. Als wir das Fürstenwalder Stadtgebiet verließen, erreichten wir ein Waldgebiet und den Trebuser See, an dessen Nordküste wir entlang wanderten. Nicht nur wir trugen alle unseren vollgepackten Rucksack, wir trafen auch eine Kröte, die eine ordentliche Last auf ihrem Rücken trug.
André ging voran...Trebuser See
Die Natur war befreiend und der Blick auf den See besänftigte Augen und Seele. Die Gruppe verteilte sich weitläufig, da doch das Tempo der einzelnen recht unterschiedlich war – und auch sein durfte – es ging ja darum, sich selbst mit Gepäck uns einer typischen Tagesdistanz auszuprobieren. Als am Ende des Sees dann auch noch ein ordentlicher Anstieg zu den Seeterrassen kam, wurde der „Parcours“ immer perfekter.
Sitzen, stehen, liegen - Pause ist Pause!
Bei den Seeterrassen konnten wir – wichtig – die Toiletten benutzen und uns auch auf die Terrasse setzen, aber aufgrund einer großen Veranstaltung war eine Bedienung unserer Gruppe – trotz erheblich vorhandenem Kaffeedurst – nicht möglich. Es war trotzdem wundervoll, draußen in der Sonne zu sitzen. Es war für uns alle genug Platz und das erste gemeinsame Frühstückspicknick haben alle genossen. Die Terrasse liegt auf der Sonnenseite hoch über dem See, wir konnten den Ausblick genießen und miteinander ins Gespräch gekommen. Wir hatten ein solches Glück mit dem Wetter – dank Karla. Sie hatte beim letzten Treff mit einer solchen Überzeugung gesagt: „Das ist schon geregelt. Das Wetter wird super!“, so dass uns ihr Glaube geholfen hat.
Glowi hat alles noch viel besser fotografiert. Alle, die dabei waren, finden die Bilderstrecke unter
fotos.web.de/glowi/PROBEPILGERN
Das Passwort heißt so wie der, der nicht dabei war.
Uns wurde hier endgültig klar, dass unsere Wegmarkierung ein rotes und ein weißes Dreieck waren, sie begleiteten uns auch zuverlässig bis Philippinenhof.
Ein Blick in die Vergangenheit...
Nach der Pause brachen wir gemütlich auf, durchquerten das gemütliche Trebus und sahen dort vor allem einige typische DDR-Überbleibsel: einen gelben Kiosk, ein VEB-Schild und in einer Fahrschule dieses Auto. Auch entdeckten wir eine Jakobus-Stehle schräg gegenüber von der Trebuser Kirche.
Ab dem Ortsausgang kamen wir auf einen zweigeteilten Weg nach Jänickendorf , auf der einen Seite altes Kopfsteinpflaster, auf der anderen Seite ein geteerter Radweg. Jeder konnte den ihm gemäßen Untergrund wählen.
Bild von Petra: Weg nach Jänickendorf
In Jänickendorf wurden wir von Frau Krenz von der Gemeinde und Herrn Jungbluth, dem Ortsvorsteher, freundlich empfangen. In der Kirche war es total kalt, während uns Herr Jungbluth über Jänickendorf erzählte. Danach durften wir die steile Treppe in den Kirchturm klettern und uns die Ausstellung im oberen Stockwerk ansehen. Es war ein vielfältiges Angebot von Bildern, Zeitungsausschnitten, Dokumentationen aber auch vielfältigen Gegenständen aus dem Dorfleben in sorgsamer Kleinarbeit zusammengetragen.
Foto von Horst Kroll: Die Kirche in Jänickendorf
Nach der Besichtigung rettete uns Frau Krenz mit einem heißem Kaffee. Für unsere eigengestaltete Andacht setzten sich alle, die Lust hatten, in den alten Kirchenraum und wir sangen und beteten miteinander und trugen unsere Fürbitten vor.
Foto von Andreas Glowienke: Altarbild Jänickendorf Jesu Verklärung
Anschließend genossen wir die Sonne und das Laufen, so wurden wir alle wieder warm.
Ausstellungsstücke aus der Jänickendorfer Kirche
Herzensgruß vom Jakobsweg
Der Weg nach Schönfelde war etwas schmaler als die bisherige Strecke und verlief in der Tat durch schöne Felder. Ein schönen Gruß gab es auch vom Weg. Jeder fand sein eigenes Tempo und auch immer wieder neue Pilgerpartner. Anfang und Ende unserer Pilgergruppe konnten einander nicht mehr sehen, es fühlte sich trotzdem „gemeinsam“ an, es fühlte sich gut an. Kein Pilgern im Gleichschritt zu Megaphongebeten, wie ich es bei einer Wallfahrt in Mitteldeutschland mal gesehen habe, sondern jeder in seinem eigenen Tempo.
Frühlingshaftes und fußfreundliches Pilgern
In Eggersdorf verdichtete sich die Gruppe wieder etwas. Hinter Eggersdorf hatten sich zwei Pilgerinnen verlaufen und dank des orangenen T-Shirts uns wieder entdeckt. Ein schönes Wäldchen motivierte zu weiteren Gruppenfotos.
Schön, oder? Waldstück hinter Eggersdorf und Lesya, Renate, Gabi und Thomas mit Kurt
Mit dem Endspurt erreichten wir in Philippinenhof das Landhaus Luckas, unser Tagesziel.
Foto von Horst Kroll: Der Wegweiser zurück - Hatten wir doch 24 km am 1. Tag geschafft?
Wer kam als erster dort an? Ich weiß es nicht, aber als ich ankam, saßen und standen dort viele Pilger und Rucksäcke, und einige der Pilger hatten schon das dortige Pilgerbier in der Hand. Ein super Empfang! Da ich ab diesem Zeitpunkt organisatorisch beschäftigt war, gibt es jetzt bis zum nächsten Morgen keine Fotos mehr von mir, wer noch schöne Bilder vom Abend hat und sie veröffentlichen mag: Her damit!
Sven Luckas zeigte uns die Räume und die Bettenverteilung konnte losgehen. Währenddessen bauten Kerstin, Jana und Glowi ihre Zelte auf. Als alle richtig untergebracht waren, begannen wir mit mit dem Kochen, alle packten mit an. Es gab das typischte Camino-Essen für Selberkocher: Spagetti mit Tomatensoße und gemischter Salat. Wir bereiteten drei verschiedene Soßen zu: Bolognese, Thunfisch und Vegetarisch. Die Nudeln kochten wir in den Zimmern, die Soßen in der Herbergsküche, der Organisation und Gerüche wegen 😉
An zwei großen Tischen verteilten wir uns und natürlich durfte neben dem Pilgerbier auch Vino Tinto nicht fehlen. Eine Schar Wildgänse zog am Himmel über uns hinweg, ein klares Zeichen des Frühlings. Unsere Stimmung wurde immer besser und es blieb noch eine Menge Nudeln und 1 Topf Thunfischsoße übrig. Nach dem Essen fanden sich klaglos einige Freiwillige, die den riesigen Abwasch bewältigten und Glowi machte sich an den Herd, der unter 3 Sorten Tomatensoße in 5 Töpfen und einer Pfanne etwas gelitten hatte. Hinterher war er spiegelblank!
Foto von Andreas Glowienke: "Luckasliche" Abendstimmung
Und nun folgte ein weiterer Höhepunkt: Sven zündete uns ein Lagerfeuer an, was prima war, denn nun wurde es langsam frisch und feucht. Die Sänger fanden sich rund um das Lagerfeuer ein, andere genossen vor der Herberge die Aussicht und das Pilgerbier, es soll auf dem Zimmer auch noch eine Fußmassage gegeben haben…Die Sänger kannten einige Lieder, christliche, Fahrtenlieder, internationale Klassiker, aber meist nur die erste Strophe: von „Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen“ über „Shalom chaverim“ und „La Bamba“ zu „Auld lang syne“ gegen Ende. Das nächste Mal, wenn wir wieder Pilgern, dann gehört eine Mundorgel mit in den Rucksack. Wie im Ferienlager eben, so fühlte es sich auch an. Als Kerstin und Jana auf ihre Zelte zustrebten und schlafen wollten, löste sich die Gruppe auf und strebte den sehr unterschiedlichen Bettstätten zu. Zwischen Luxusbettchen unterm Sternenhimmel über Pritschen und Matratzen bis zu Matte gab es alles. Schön war’s!
Foto von Andreas Glowienke: Morgenstimmung bei Müncheberg - fast wie gemalt
Um sieben Uhr wurde auf den frühen Sonntagmorgen geweckt, wir hatten ja noch was vor! Wir verteilten das Kaffeekochen wieder auf die verschiedenen Räume und bauten diesmal drinnen die zwei Tische auf und deckten reichlich ein. Monique hatte uns den Kühlschrank vollgepackt. Mariele machte noch ein paar Nudeln von Vorabend mit Ei, die restlichen Eier hat sie in ein köstliches Rührei verwandelt. Das gemeinsame Frühstück hielt uns noch zusammen, dann verabschiedeten sich die ersten, die nur den 1. Tag mitgewandert sind. Sven verteilte Pilgerstempel in die Pilgerpässe und wundervolle Pilgersprüche – einem jeden seinen eigenen! Wir dankten Sven und Monique für ihre wundervolle Gastfreundschaft. Pilger, dies ist wirklich ein gutes Haus, besucht sie, damit ihre schöne Herberge sich immer wieder mit Camino-Leben füllt! Es lohnt sich…
Foto von Horst Kroll: Landhaus Luckas mit Pilgern
Nach dem Frühstück gab es tapfere Abwäscher, Aufräumer und Ausfeger, dann wurden die Rucksäcke gepackt und geschultert! Rechtzeitig gegen 20 nach neun brachen wir auf, damit wir noch rechtzeitig nach Müncheberg zum 10-Uhr-Gottesdienst kamen. Die riesige, rote Backsteinkirche war schon von weitem zu sehen, sie war nicht zu verfehlen. Die Sonne leuchtete.
Zwei Pilgerinnen und die Müncheberger Kirche
Einige wollten schon vor dem Gottesdienst los, er ist halt nicht für jeden Pilger, da gibt es bei uns keinen Gruppenzwang. Sven hatte uns in der Kirche angekündigt und so wurden wir zum Beginn des Gottesdienstes vom Pfarrer freundlich begrüßt. Es ist schon interessant mit einer gemischt-konfessionellen Gruppe unterwegs zu sein. Ganz deutlich erkennt man die Katholiken unter uns am Bekreuzigen zu den Worten „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Die Sonne schien immer heller durch die Glasfenster dieser außerordentlichen Kirche. Sie war im Krieg stark zerstört worden und so wieder aufgebaut worden, dass ihre Wunden noch sichtbar waren. Auch die Predigt zu Jesu Worten über die Nachfolge war erhellend.
Nach dem Gottesdienst erfuhren wir vom Pfarrer mehr über die Geschichte der Kirche und die ihr innewohnende Holzarche, die die örtliche Bibliothek birgt. Wir erhielten unseren Stempel und den traditionellen Pilgersegen. Wunderbar!
Und nun war kein Halten mehr. Draußen war der Frühling so etwas von ausgebrochen und direkt in den Frühsommer übergegangen. 25 Grad hatten wir. Die Jacken wurden schnell abgelegt und dem Rucksack anvertraut und im Laufe des Tages kamen sogar winterweiße Arme und Unterschenkel aus teilbaren Trekkinghosen ans Tageslicht und ins Warme. Was für eine Gnade! Es viel immer wieder er Spruch: „Wenn Engel reisen!“ An der Straße liefen wir aus Müncheberg hinaus bis zum Bahnhof, der sich für eine erste Pause anbot. Ab nun hatten wir nun die traditionellen blau-gelben Jakobsmuscheln als Wegweiser. Hier gab es auch eine Übersichtskarte über den weiteren Verlauf des Jakobsweges.
Nach der Pause begann nun der zauberhafte Waldweg in Richtung Hoppegarten. Ob der Hitze, aber auch des gelungenen Einlaufens am Vortage der erfahrenen Pilger wurden die Abstände wieder groß. Gegen Mittag und nach ca. 10 km Wegstrecke war der Abstand schon riesig. Und so kam es zu einer vorrübergehenden Trennung der Gruppe. Die von der schnellen Truppe liefen den Weg über Hoppegarten und kehrten dort beglückt im Eiskaffee ein. Die etwas langsameren machten ausführliche Mittagspause auf der Jakobsweg-Wandermöblierung.
Mittagspause auf dem Jakobsweg
Mit Hilfe von Randolfs Karte wurde eine Abkürzung zum Roten Luch gefunden, so dass weder der Weg nach Hoppegarten noch die Landstraße notwendig wurden, sondern wir direkt in das „Rote Luch“ kamen und so dieses geologisch interessante Gebiet, eine Talwasserscheide, kennen lernen konnten. Wir haben sogar mehrfach Rehe gesehen. Hinter dem Hauptgraben fanden wir eine Jakobsstehle und damit wussten wir, wir sind schon auf dem richtigen Weg.
Jakobsstehle mit Pilgern im Roten Luch
Und siehe da, bei der nächsten Pause in einem kleinen Wäldchen kamen die anderen Pilger dahinter um die Ecke, die Gruppe war wiedervereint. Gemeinsam ging es an die letzten Kilometer nach Rehfelde. Wir müssen dabei auch ehrlich zugeben, dass wir uns in Werder den Abzweig nach Garzau knickten (ja, trotz Feldstein-Pyramide).
Aufbruch aus der "Alten Linde" in Rehfelde
Gegen fünf Uhr trafen wir an der „Alten Linde“ in Rehfelde ein und kehrten auch ein. Wir sahen noch Gabi, Oliver und Karla, die am Bahnhof standen, da der stündliche Zug gerade eintraf. Ein Winken noch, dann waren sie davon. Der Rest der Gruppe stärkte sich mit diversen Schorlen, Kaffee und Streuselkuchen und natürlich Marieles Schokokuchen, den sie die ganze Zeit geschleppt hatte. Danke Mariele, das war toll! Währenddessen trafen die letzten Nachzügler ein, auch für sie war noch genug Zeit für eine Erfrischung und Kuchen. Alle wirkten zufrieden, wenn auch einige wirklich erschöpft zufrieden. Die letzten Stullen wurden mitvertilgt, dann brachen wir auf, um den Zug von Rehfelde nach Berlin-Lichtenberg zu nehmen. Ich glaube, es war das gewesen, was wir uns alle für dieses Wochenende gewünscht hatten, einen
Buen Camino!
Auf dem Bahnhof von Rehfelde
P.S. an alle Mitpilger: Wer noch Bilder hat, die hier reinpassen oder besser sind als meine, bitte schicken! Und wer noch von Dingen berichten kann, wo ich nicht dabei war, bitte kurz schreiben, ich füge es dann ein. Danke und Hasta Luego, am 13. Mai sehen wir uns wieder beim Vortrag von Jana und Kerstin über die Via Francigena.
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Schlagwörter: Dom Fürstenwalde, Jakobsweg Brandenburg, Jänickendorf, Landhaus Luckas, Müncheberg, Phillipinenhof, Probepilgern